Onlineausstellung Fastenkrippen und Hl. Gräber


Waidring

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Hl. Grab der Pfarrkirche von Waidring

 

Eine kunsthistorische Überraschung brachte die Aufstellung des historischen Ostergrabes der Pfarrkirche in Waidring Ende 2016.

Das Ostergrab war zwar bekannt und ist in der Publikation über die Heiligen Gräber in Tirol bereits erfasst, aufgrund einer alten Schwarz-Weiß-Abbildung aber falsch datiert und keinem Künstler zugeordnet worden. Das Heilige Grab wurde um 1953/54 für einen längeren Zeitraum letztmalig aufgestellt.

Die perspektivisch angelegte, spätbarock geprägte Scheinarchitektur besteht aus zwei in der Tiefe gestaffelten Kulissenbögen, die den Blick in einen zweijochigen Innenraum freigeben, der beidseitig von Arkadengängen flankiert und durch eine Rückwand abgeschlossen wird.

Der erste Bogen zeigt eine hohe Sockelzone mit Quaderbemalung und integrierter, von zwei schlafenden Grabwächtern flankierter Grabnische, während die äußere Rahmung durch auf Postamenten stehende Pilaster mit volutenförmigen Anläufen gebildet wird, die von GebäIkstücken mit Ziervasen bekrönt werden und eine kassettierte, durch eine Laterne abgeschlossene Kuppel tragen. Vor dieser ruht auf einer Wolkenbank die von geflügelten Puttenköpfen umgebene Gestalt Gottvaters. Den Bogenscheitel ziert eine Rocaillekartusche, deren monochrome szenische Darstellung die Opferung Isaaks thematisiert.

In den beiden Arkadengängen des ersten Bogens werden die Geißelung und die Dornenkrönung szenisch vorgeführt, während auf den Balustraden die Zurschaustellung Jesu und die Handwaschung des Pilatus gezeigt werden. Der in einer Tafel zusammengefasste zweite und dritte Bogen zeigen wiederum eine hohe Sockelzone mit Postamenten, auf denen kannelierte Rechteckpfeiler stehen, die ein Kreuzgratgewölbe tragen. Die Wände der kapellenartig ausgeschiedenen Anräume sind mit bogenförmig geschlossenen Wandnischen versehen, die im vorderen Bereich mit Ziervasen versehen sind.

Eine ikonografische Besonderheit stellt die Bretterfigur des hl. Johannes des Evangelisten dar, der auf einem Stein ruht und als Attribute eine Feder und das Evangelium in den Händen hält. Über ihm findet sich das Buch mit den Sieben Siegeln und ein Kranz aus Weintrauben und Ähren, der das am Karfreitag ausgesetzte Allerheiligste rahmt Diese Darstellung nimmt Bezug auf die Offenbarung des Johannes (Off 5,1f), in der auf die Endzeit und das Erlösungswerk durch das „Lamm Gottes“ verwiesen wird.

Beim Lokalaugenschein im Stadel des westlich des Dorfes gelegenen Vorderkapellhofes wurde offensichtlich, welchem Künstler dieses Ostergrab zugeschrieben werden kann. Sowohl die architektonische Konzeption und die figurale Gestaltung als auch das Kolorit verweisen eindeutig auf den in Kitzbühel ansässigen Maler Matthias Kirchner, der auch das Ostergrab der Pfarrkirche von Going gemalt hatte.

Die Kulissenarchitektur dürfte wohl im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts entstanden sein.